IFRC: 100-jähriges Bestehen der weltweit größten humanitären Organisation

In diesem Jahr feiert die internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung nicht nur das 70-jährige Jubiläum der Genfer Konventionen von 1949 als Kernstück des modernen Humanitären Völkerrechts (HVR), sondern kann auch mit Stolz auf das 100- jährige Bestehen der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) als weltweite Dachorganisation der Bewegung zurückblicken.

Ansprechpartner
Martin Schmid
Landeskonventionsbeauftragter Mail: martin.schmid@lv-oldenburg.drk.de

 

Die Stärke der Bewegung liegt in ihrem weltumspannenden Netzwerk von  ca. 14 Millionen Freiwilligen, 60 Millionen Fördermitgliedern und 450.000 fest angestellten Mitarbeitern und deren Verankerung in der Zivilbevölkerung (Anm.: Angaben des Schweizerischen Roten Kreuzes). Die internationale Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung ist damit die weltweit größte humanitäre Organisation.

Nach dem 1. Weltkrieg gründete eine Auswahl von  nationalen Rotkreuzgesellschaften der Siegermächte (Amerika, Japan, Canada, Italien, Frankreich) auf Anregung des damaligen Präsidenten des War-Council des Amerikanischen Roten Kreuzes, Henry P. Davison,  am 5. Mai 1919 in Paris die Liga der Rotkreuzgesellschaften (früherer Name der IFRC). Deutschland und Österreich als Verlierer des 1. Weltkrieges waren anfangs nicht Mitglieder der Liga und traten erst in späteren Jahren bei. Der Sitz wurde während des 2. Weltkrieges nach Genf verlegt, um von der neutralen Haltung der Schweiz profitieren zu können.

Hauptargument für die Gründung  der Liga war nach Auffassung der Amerikaner das zu eingeschränkte Selbstverständnis des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK), das 1863 als Komitee der Fünf  von Henry Dunant und seinen Mitstreitern, dem Juristen Gustave Moynier, den Ärzten Louis Appia und Théodore Maunoir sowie dem Armeegeneral Guillaume-Henry Dufour in Genf ins Leben gerufen wurde,  um die Leiden von Opfern während bewaffneter Auseinandersetzungen (Verwundete, Kranke, Gefangene) zu lindern und ihnen durch unter Schutz gestellter Helfer (Ärzte, Sanitäter, Geistliche) Beistand leisten und Unterstützung gewähren zu können. Die Begeisterung vieler Menschen für diese Leitideen der Rotkreuzbewegung (Menschlichkeit, Unabhängigkeit, Unparteilichkeit....) sollten auch in Friedenszeiten genutzt werden, um bei Naturkatastrophen, technischen Unglücken, Epidemien etc. koordiniert auf internationaler Ebene effektiv Hilfe für die betroffene Zivilbevölkerung  zu leisten. Nur wenige Monate nach ihrer Gründung startete die Liga eine Kampagne zur Bekämpfung einer großen Typhus Epidemie in Osteuropa. Es folgten Spendenaufrufe um die Leiden der russischen Bevölkerung bei der Hungersnot 1921 und der japanischen Bevölkerung nach dem großen Erdbeben von Kanto 1923 zu lindern.

Diese Vision einer weltumfassenden, hilfeleistenden Bewegung auch außerhalb von bewaffneten Konflikten ist bereits in der deutschsprachigen Ausgabe des Buches „Eine Erinnerung an Solferino“ (1863) von Henry Dunant nachzulesen als er formulierte:

"Diese Gesellschaften könnten übrigens selbst bei epidemischen Krankheiten oder bei Unglücksfällen, wie Ueberschwemmungen und Feuerstbrünste, große Dienste leisten; der philantropische Zweck, aus dem sie hervorgegangen wären, ließe sie überhaupt bei allen Gelegenheiten wirksam sein, wo ihre Thätigkeit Nutzen bringen könnte." (Seite 105, Fußnote)

So hat sich in den 100 Jahren des Bestehens der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften kontinuierlich eine sinnvolle Kooperation und Aufgabenteilung herausgebildet.  

Das IKRK  kümmert sich vornehmlich um die Opfer von bewaffneten Auseinandersetzungen zum Beispiel durch Vermittlung von Waffenstillstandsvereinbarungen für Hilfstransporte, Evakuierungen von Kranken und Verletzten sowie die Weiterentwicklung des Humanitären Völkerrechts und startet Initiativen zur Ächtung bestimmter Waffen oder Kriegsführungsmethoden (Antipersonenminen, Streubomben, Kindersoldaten).  

Dem gegenüber koordiniert die Föderation im Zusammenwirken mit den nationalen Hilfsgesellschaften ihrer Mitgliedsstaaten die Hilfeleistung und Versorgung der Bevölkerung in nicht unbedingt kriegsbedingten Notlagen wie Naturkatastrophen, Hungersnöten, Seuchenausbrüchen. Beispiele dafür sind die technische und medizinische Unterstützung in Form von Trinkwasseraufbereitungsmaßnahmen, Sanitätseinrichtungen, Lebensmittel- und Medikamententransporten, Seuchenbekämpfungs-maßnahmen.

Die bisher größte Hilfsaktion unter Leitung der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften fand nach der Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean vom 26. Dezember 2005 unter Beteiligung von mehr als 40 nationalen Rotkreuz- und Rothalbmond- Gesellschaften mit ca. 40.000 Helfern statt. Aktuelle Unterstützungsaktionen gelten Tornadogeschädigten auf den Bahamas, Erdbebenopfern in Albanien und neuen Flüchtlingsbewegungen in Nordsyrien. Die weltweiten Migrationströme stellen sich gegenwärtig als eine der größten Herausforderungen auch auf humanitärem Gebiet dar.

Darüber hinaus unterstützt die Föderation die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gesellschaften und fördert ihre Entwicklung getreu ihrer Strategie 2020 „Saving lives, changing minds“. Die große Vision der Föderation ist, die Aktivitäten der nationalen Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften ständig dahingehend zu inspirieren, menschliches Leid zu verhüten oder wenigstens zu lindern und damit einen Beitrag zur Wahrung der menschlichen Würde und zum Frieden in der Welt zu leisten. Innerhalb der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung koordiniert das Föderationssekretariat  in Genf die internationalen Hilfsaktivitäten der Bewegung.

Die Delegierten der mittlerweile 191 Mitgliedsgesellschaften der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften treffen sich im Jubiläumsjahr 2019 vom 9.- 12. Dezember gemeinsam mit Vertretern der Mitgliedsstaaten und des IKRK zur 33. Rotkreuz- und Rothalbmondkonferenz in Genf.

Zusammengefasst kann ohne falsche Bescheidenheit nicht nur im Hinblick auf das 70-jährige Jubiläum der Genfer Konventionen von 1949 sondern auch wegen des 100-jährigen Bestehens der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften von einer Mut machenden  Erfolgsgeschichte auf dem steinigen Weg zu mehr Menschlichkeit in einer zunehmend wieder von Aggression und Selbstsucht geprägten Welt gesprochen werden.

 

Abkürzungen:

IKRK  -  Internationales Komitee vom Roten Kreuz (engl. =  ICRC  -  International Committee of the Red Cross)

IFRC  -   International Federation of Red Cross and Red Crescent Societies (Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften)

 

12. Dezember 2019

Rainer Kokoschka
Landeskonventionsbeauftragter

 


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